Die Macht der Sprache
Sprache ist mehr als ein Kommunikationsmittel – sie beeinflusst auch unser Denken. Zwei Studien der Universitäten Lancaster und Stockholm bestätigen dies. Die Studie aus Großbritanien aus dem Jahr 2015 zeigte, dass sich Englisch sprechende Menschen eher auf den Verlauf einer Handlung konzentrieren, während Deutsch sprechende eher das Ziel dieser wahrnehmen. Sie vermuteten, dass die ing–Form, mit der momentan stattfindende Handlungen beschrieben werden, dazu führt, dass Handlungen als weniger zielgerichtet angesehen werden als im Deutschen. (Details zur Studie in der TAZ: http://www.taz.de/!5009093/)
Eine neue Studie der Universität Stockholm untermauert das Ergebnis nun und kommt zu dem Schluss, dass Sprache unser Zeitgefühl beeinflusst. Hintergrund der Studie war, dass die Dauer von Ereignissen in der schwedischen und englischen Sprache bevorzugt durch physikalische Distanzen wie „kurze Pause“ oder „lange Hochzeit“ beschrieben wird. In Spanien oder Griechenland sprechen die Menschen hingegen von der „kleinen Pause“ oder der „großen Hochzeit“. Auf der einen Seite steht also die zurückgelegte Distanz, auf der anderen eine wachsende Menge.
Bilinguale Probanden, die sowohl Schwedisch als auch Spanisch sprechen, sollten innerhalb der Studie mehrmals hintereinander abschätzen, wie viel Zeit innerhalb eines vorgegebenen Intervalls vergangen war. Eine Bildschirm-Animation zeigte während dieses Intervalls eine länger werdende Linie oder einen sich füllenden Container, die sich mal schneller und mal langsamer veränderten und so kein verlässlicher Indikator für die tatsächliche Dauer waren.
Zu Beginn jeder Testrunde formulierten die Forscher für ihre Probanden jeweils eine kurze Aufforderung als Startsignal, wobei sie entweder das spanische Wort für Dauer, "duarción", oder das schwedische "tid" benutzten. Die Ergebnisse waren eindeutig: Beobachteten sie den sich füllenden Container, ließen sich diejenigen, die auf die spanische Sprache gepolt wurden, von dieser Animation in die Irre führen. Sie orientierten sich für ihre Schätzung daran, wie voll der Container war. Bekamen sie die wachsende Linie zu sehen, beeinflusste das ihre Zeitwahrnehmung nicht. Wurden die gleichen Personen hingegen mit dem schwedischen Startsignal konfrontiert, ließen sie sich von der Linie beeinflussen – der Container beeinflusste sie nicht. Ohne das sprachliche Schlüsselwort schnitten die Teilnehmer jeweils ähnlich gut ab – egal, ob sie den Container oder die Linie betrachteten. Der Effekt der Sprache auf die Wahrnehmung verschwand.
"Die Tatsache, dass Zweisprachige flexibel und scheinbar unbewusst zwischen diesen beiden Wegen, die Zeit abzuschätzen, wechseln, ist ein weiterer Beleg für die Macht der Sprache", sagt Panos Athanasopoulos von der Lancaster University.
Mehr zur neuen Studie von Emanuel Bylund auf Scinexx : (http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-21421-2017-05-03.html)